Nachdenkliches

Ein guter Tag - ein schlechter Tag

Na? Hattet Ihr einen guten Tag heute? Oder war Euer Tag eher ein Reinfall? Warum ich frage? Weil ich mir gerade Gedanken darüber mache, was eigentlich die Kriterien sind, nach denen ich (und andere Menschen) entscheiden, ob ein Tag gut gewesen ist oder nicht.

Manche Menschen ziehen ja abends regelrecht eine kleine »Bilanz« des Tages, lassen die Ereignisse und Situationen nochmal am inneren Auge vorüberziehen und ziehen ihr Fazit. Ab und an mache ich das auch so. Nicht geplant, es ergibt sich manchmal schlicht.

Tatsächlich ist mir aber beim Nachdenken darüber aufgefallen, dass ich meist irgendwann im Laufe des Tages eine Art »Urteil« über den Tag fälle. Das geschieht eher unbewusst und in Sekundenbruchteilen. Plötzlich »weiß« ich: der Tag läuft (im großen und ganzen) gut oder eben: dieser Tag und ich werden heute keine Freunde mehr.

Das wiederum brachte mich dann zur Frage: was bitte sind denn die Auslöser bzw. Kriterien, die zu einem solchen Urteil oder einer solchen Bilanz führen. Meist sind es wohl mehrere Dinge/Kriterien, die zu einem solchen Urteil führen, manchmal aber auch einzelne Ereignisse, die so massiv sind (im Guten wie im Schlechten), dass sie quasi allein zu einem Urteil führen. Ist natürlich u.U. etwas heikel.

Ein Beispiel: Sagen wir mal, jemand fährt mir ins Auto. Das ist natürlich ein massives Ereignis. Auto hat einen Schaden, vielleicht sogar ich oder der andere Fahrer. Die ganze Zeitplanung kommt durcheinander, weil plötzlich ganz andere Dinge erledigt werden müssen. Der Schreck steckt mir in den Knochen, etc. etc. Höchstwahrscheinlich wird mir irgendwann der Gedanke durch den Kopf gehen (bzw. das Urteil fallen): Was für ein blöder Tag! Ist ja irgendwie auch nachvollziehbar und menschlich. ABER: Sagen wir mal, der Unfall ist gleich morgens oder vormittags passiert. Dadurch, dass das (negative) »Urteil« über den Tag gefallen ist, eiche ich gleichzeitig meine Erwartungen an den Rest des Tages ebenfalls auf »negativ« und blockiere mich im Grunde für das, was der Tag noch an guten Dingen für mich parat hat. Ich werde sozusagen blind oder zumindest deutlich weniger empfänglich dafür. Das wiederum kann dazu führen, dass ich den Rest des Tages ziemlich mies gelaunt oder genervt bin und den Tag eigentlich nur noch in die Tonne treten will. Klingt nicht sehr gut und sympathisch, oder? Das tun wir natürlich nicht absichtlich oder »bewusst«. Es läuft unterbewusst, passiert einfach. Erst wenn man mal darüber nachdenkt, fallen einem solche unbewussten Reaktionen oder Handlungsmuster auf und erst dann kann man versuchen, sich andere Strategien zu überlegen oder andere Reaktionsmuster einzuüben.

Eine weitere Frage, die sich stellt ist: wie viel oder wie wenig braucht es eigentlich, damit ich einen Tag für gut oder schlecht halte? Wie schnell fällt mein »Urteil«. Bleibe ich lange erwartungsvoll, was den Tag angeht und lasse mich nicht so schnell (selbst unterbewusst) zu einem Urteil verleiten? Oder entscheidet einfach das erstbeste Vorkommnis schon den Rest des Tages. Die Bäckereifachverkäuferin, die mich freundlich anlächelt und mir zwei Brötchen extra schenkt - bums: ein guter Tag!? Der brummelige Kollege oder gar Chef, der mich ungerechtfertigt erstmal kräftig anfaucht - bums: was für ein blöder Tag!?

Was lässt mich am Ende eines Tages ein positives Urteil fällen, und was ein negatives? Wann ist ein Tag für mich ein guter, ein erfolgreicher Tag und wann ein schlechter, ein mißratener Tag? Wenn ich genug gearbeitet und geleistet habe (und wessen Maßstab entscheidet das? meiner, der von anderen?)? Wenn ich mehr gelacht als gegrummelt habe? Wenn ich den Tag ohne Schmerztabletten durchgestanden habe? Wenn ich nicht zuviel getrunken habe? Wenn ich mich nicht mit meinem Partner gestritten oder meine Kinder nicht angebrüllt habe? Wenn ich gut gegessen und getrunken habe? Wenn ich meinen Willen habe durchsetzen können? Wenn ich den alltäglichen Wettbewerb (um was weiß ich) gewonnen habe? Brauche ich die großen Erfolge oder reicht mir der kleine Erfolg, von dem vielleicht sogar kein anderer etwas mitbekommt?

Wie ist das bei Euch? Zieht ihr manchmal oder sogar täglich bewusst eine Art Tagesbilanz oder ist es bei Euch eher ein unbewusster Vorgang? Was sind Eure Kriterien, nach denen Ihr entscheidet, ob Euer Tag ein guter oder ein schlechter Tag war? Oder macht Ihr Euch darüber überhaupt keine Gedanken? Was fällt Euch noch zu diesem Thema ein?

6 Gedanken zu „Ein guter Tag - ein schlechter Tag

  1. Hm, habe jetzt ein Weilchen darüber nachgedacht und bin zu dem Schluss gekommen, dass ich weder eine Tagesbilanz ziehe, noch einen Tag in seiner Gesamtheit bewerte. Auch nicht unbewußt.

    Es kann sich doch immer alles schlagartig ändern und aus einem vermeintlich gutem Tag kann in der nächsten Sekunde die größte Katastrophe erwachsen, umgekehrt kannst Du an einem bescheuerten Tag z.B. die Liebe Deines Lebens kennenlernen, um es mal überspitz auszudrücken.
    Einzelne Ereignisse empfinde ich als gut oder nicht so gut. Ganze Tage eigentlich nie. Die können nur anstrengend oder weniger anstrengend sein.
    (War das jetzt zu verworren?)

  2. @ pepa - Da sieht man mal wieder, wie unterschiedlich die Menschen sind! Mal sehen, ob sich noch andere hier in den Kommentaren zu Wort melden und ob sie Tagesbilanz ziehen oder nicht. Wobei, ich bin auch nicht sicher, ob ich wirklich jeden Tag diese unbewusste Bilanz ziehe. Aber ab und an schon.

    Den Punkt, den Du anführst, hab ich ja auch schon angeschnitten, dass es eben durchaus sein kann, dass einem an einem Tag, der blöd anfängt, später durchaus noch was Gutes passieren kann (was man unter im schlimmsten Fall sogar verpasst, weil man sich schon auf ein negativ-Urteil festgelegt hat und damit für anderes blockiert hat)

    Das Bilanz-Urteil »anstrengend« und »weniger anstrengend« gefällt mir übrigens viel besser. Weil auch etwas Gutes kann durchaus anstrengend sein und umgekehrt und es lässt eben alles Gutes wie Schlechtes weiterhin zu.

    Mein Tag heute hat übrigens gut begonnen, weil ich heute morgen Deinen Kommentar entdeckt habe und von Dir einen Kommentar, das ist ja fast schon wie ein kleiner Lotto-Gewinn! Danke, dass Du Dir die Zeit genommen hast! :)

  3. Tagesbilanzen; hm, manchmal in der Badewanne…Normalerweise denke ich nicht daran. Oder, was nicht gut ist, ich versuche, schon den kommenden Tag zu »Ã¼berschreiben«. In dem Sinne: morgen muss das und das gemacht werden, das wird bestimmt gut, schrecklich, oder sonst wie….Eine Angewohnheit zum Abgewöhnen!
    Der Gatte sagt oft: Das war ein wirklich guter Tag, denn ich habe alles, was ich vorhatte, geschafft- und er macht ein Doppelzufriedenschnarchnickerchen…

  4. @ Sonja - Du erwähnst hier sozusagen den nächstfolgenden Schritt: gleich noch »den kommenden Tag überschreiben«.

    Eine gewisse Planung ist natürlich hier und da durchaus sinnvoll und zielführend, so dass man sich vorbereiten kann. Aber das schon vorher »erahnen« ob etwas gut, schrecklich oder sonst wie wird, das ist das Ãœbel. Kenne ich von mir auch und je nachdem, wie »phantasiebegabt« oder »analytisch« man ist, kann das übelst ausufern. Insofern stimme ich Dir zu, eine Angewohnheit zum Abgewöhnen!

    Wenn mir bewusst wird, dass ich dabei bin »vorher zu ahnen« wie der nächste Tag wird bzw. wie dies oder das laufen wird, versuche ich mir inzwischen quasi selbst ein »Stoppschild« zu setzen. D.h. ich rufe mich selbst zur Ordnung, nicht weiter darüber nachzudenken und keine weiteren Traum- oder Horrorszenarien für den nächsten Tag zu entwickeln, sondern einfach abzuwarten, was wirklich passiert.

  5. Hmm, meine Bilanzeinheit ist eigentlich kein »Tag«. Ich resümiere also nicht, ob es ein guter oder ein schlechter Tag war. Wahrscheinlich auch deshalb, weil ich mir vor vielen, vielen Jahren angewöhnt habe, bewusst die guten Dinge und Ereignisse an einem Tag zu sehen. Was ja auch erstaunlicherweise fast immer super klappt.

    Aber … manchmal, nur sehr, sehr selten, da gibt es so Tage (und da ist die Maßeinheit ein »Tag«), an denen ich ab einem bestimmten Punkt das Gefühl habe: »Diesen Tag kannst du jetzt in die Tonne treten. Das wird nix mehr.« Weil schlimme Dinge passiert sind - also wirklich schlimme, vom Kaliber »Plötzlicher Tod der Mitbewohnerinnen-Mutter« - danach ist ein Tag nicht mehr derselbe und dem kann auch ich dann auch nichts Gutes mehr abgewinnen, außer vielleicht, dass ich mich wacker im Umgang mit der Situation und mit der völlig durch den Wind geschossenen Mitbewohnerin geschlagen habe.

    Andere von diesem emotionalen Kaliber sind die, wo mir die Stimmungen (Hormone?) entgleisen. Also so was zwischen prämenstruell und klimakterisch gereizt-empfindlich. Aus der Schleife komm ich dann nicht mehr gut raus. Da ist dann der Plan, den Tag für beendet zu erklären, auch nicht ganz verkehrt …

    Interessant, interessant …

  6. @ Frau Indica - Tatsächlich ist das etwas, was ich mir auch schon vor vielen Jahren angewöhnt habe: bewusst nach den schönen Dingen eines Tages Ausschau zu halten und seien sie noch so klein. Soweit ich mich erinnern kann, gab es noch nie einen Tag, wo sich nicht wenigstens zwei, drei schöne Dinge finden ließen.

    Tage, die ich komplett in »die Tonne trete« gibt es äußerst selten, aber eben doch hin und wieder und die Auslöser sind auch eher von größerem Kaliber.

    Einen Tag für »beendet« zu erklären, bevor er tatsächlich vorüber ist, kenne ich auch aber auch das passiert nur sehr selten.

    Mir hat wirklich gefallen, was Frau pepa schrieb: die Unterteilung in »anstrengender« und »weniger anstrengender« Tag, das ist nicht ganz so kategorisch wie »guter« und »schlechter« Tag.

    Ich habe mir vor wenigen Jahren angewöhnt, abends so eine Art kleine »Bilanz« zu ziehen und kurz (also wirklich nur kurz) zu notieren, was dabei heraus kam. Ãœberraschender Weise stellte sich nach einer Weile heraus, dass es wesentlich mehr »okaye« bzw. auch »gute« Tage gab, als ich vorher rein vom Gefühl her angenommen hatte. Irgendwie schienen bis dahin die »schlechten« Tage einen wesentlich tieferen bzw. deutlicheren Fußabdruck in meinem Empfinden/Bewusstsein/Unterbewussten (oder wo auch immer) hinterlassen zu haben als die »guten« Tage, was mich zu der Fehl-Annahme verleitete. Das habe ich aber erst realisiert, als ich mal bewusst jeden Tag darauf geachtet und es auch »protokolliert« habe und so nochmal rückwärts überprüfen konnte. Für mich war es also durchaus positiv diese Art Bilanz zu ziehen, um mein internes Barometer neu zu justieren.

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